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Verhältnis der seefrachtrechtlichen Verfallsfrist

 | Seefracht- und Binnenschifffrachtrecht

Gegenständlich war ein Transport zu fixen Kosten von Batterien von China nach Hamburg per Schiff und danach per Bahn bis zum Bahnhof Ennshafen und von dort per LKW bis zum Empfänger in Österreich. Im Zeitraum zwischen 25. Juni und 29. Juni 2015 wurde der transportierte Container und die darin befindliche Batterieladung im mehreren Kilometer langen Hafenterminal in Hamburg bei der Umladung beschädigt. Über den Transport war ein Konnossement ausgestellt. Zudem waren die AÖSp zwischen den Streitteilen vereinbart. Die Endentladung beim Empfänger in Österreich erfolgte am 14.7.2015. Die Klage gegen den Frachtführer erfolgte innerhalb eines Jahres am 8.7.2016.

Entscheidungswesentlich war die Frage der Verjährung der Klagsforderung. Vom OGH zu klären galt es dabei das Verhältnis der seefrachtrechtlichen Verfallsfrist gemäß § 612 iVm § 662 UGB zur Verjährungsfrist des Frachtführers gemäß § 439 iVm § 414 UGB und des Spediteurs gemäß § 64 AÖSp.

2. Entscheidung OGH 7 Ob 116/17k vom 20.4.2018

Mit Beschluss des OGH zu GZ 7 Ob 116/17k vom 20.4.2018 kam dieser zum rechtlichen Ergebnis, dass die (bei Ausstellung eines Konnossements gemäß § 662 UGB zwingende) seefrachtrechtliche Verfallsfrist gemäß § 612 UGB von einem Jahr nicht verkürzt werden darf. Dies gilt gemäß § 663 Abs 2 Z 2 UGB allerdings nicht für die Zeit vor der Einladung der Transportgüter und für die Zeit nach ihrer Ausladung. Für diese Zeiträume darf die Haftung des Verfrachters bzw Verjährung nach UGB gemäß § 439 iVm § 414 UGB abweichend vertraglich verkürzt werden, weshalb der Vereinbarung der kürzeren Verjährungsfrist des § 64 AÖSp von 6 Monaten für diese Zeiträume kein Hindernis entgegensteht. Da der Schadenseintritt in den Zeitraum nach der Ausladung vom Schiff und vor der Umladung auf die Eisenbahn fiel, war die Klagsforderung verjährt:

Aus der Entscheidung:

„Ansprüche gegen den Spediteur wegen Verlustes, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Gutes verjähren gemäß § 414 Abs 1 UGB in einem Jahr. Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert werden. Die Verjährung beginnt nach § 414 Abs 2 UGB im Falle der Beschädigung oder Minderung mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Ablieferung stattgefunden hat, im Falle des Verlusts oder der verspäteten Ablieferung mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Ablieferung hätte bewirkt sein müssen. Auf die Verjährung der Ansprüche gegen den Frachtführer wegen Verlustes, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Gutes finden nach § 439 Satz 1 UGB die Vorschriften des § 414 UGB entsprechende Anwendung. […] „§ 414 UGB ist dispositiv, weshalb abweichende vertragliche Vereinbarungen zulässig sind.“ […]

„Nach § 64 AÖSp verjähren alle Ansprüche gegen den Spediteur, gleichviel aus welchem Rechtsgrund und unabhängig vom Grad des Verschuldens, in sechs Monaten (vgl RIS-Justiz RS0106911). Auch grobe Fahrlässigkeit schließt die kurze Verjährungsfrist des § 64 AÖSp nicht aus (RIS-Justiz RS0049684). Die Verjährung beginnt mit der Kenntnis des Berechtigten von dem Anspruch, spätestens jedoch mit der Ablieferung des Gutes.“ […] „Daher wird bei Zugrundelegung der AÖSp die Verjährungsfrist zufolge § 64 AÖSp für sämtliche Ansprüche auf sechs Monate verkürzt […]“.

„Nach der das Seefrachtrecht betreffenden Regelung des § 612 UGB wird der Verfrachter von jeder Haftung für Verluste oder Beschädigungen der Güter frei, wenn der Anspruch nicht innerhalb eines Jahres seit der Auslieferung der Güter oder seit dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten ausgeliefert werden müssen, gerichtlich geltend gemacht wird. Ist – wie hier – ein Konnossement (Bill of Lading) ausgestellt, so können nach § 662 Abs 1 UGB die Verpflichtungen des Verfrachters (ua) aus § 612 UGB durch Rechtsgeschäft im Voraus nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.“ […]

„Außerdem handelt es sich bei Verfall und Verjährung – gemessen an ihrer praktischen Bedeutung und abgesehen vom Fortbestand einer Naturalobligation – um im Wesentlichen gleichartige Rechtsinstitute. Versteht man daher § 612 iVm § 662 UGB als zu Lasten des Verfrachters zwingende Verfallsklausel, dann stellt auch die Vereinbarung der kürzeren Verjährungsfrist des § 64 AÖSp eine erhebliche, dem § 662 UGB widersprechende und daher unzulässige Beschränkung der Anspruchsverfolgung durch den Auftraggeber dar (idS wohl auch die deutsche RspuL zu § 612 HGB aF II ZR 351/56 = NJW 1959, 720 [Schiedsklausel]; Rabe, Seehandelsrecht4 § 612 HGB Rz 14; Schaps/Abraham, Das Seerecht I4 § 612 HGB Rz 9). Der Fachsenat geht daher davon aus, dass die Vereinbarung der kürzeren Verjährungsfrist des § 64 AÖSp eine dem § 662 UGB widersprechende und in dessen Anwendungsbereich unzulässige Verkürzung der Verfallsfrist des § 612 UGB darstellt.

Der Anwendungsbereich des § 662 UGB wird allerdings durch § 663 UGB deutlich eingeschränkt. Nach § 663 Abs 2 Z 2 UGB findet nämlich § 662 UGB auf die Verpflichtungen, die dem Verfrachter hinsichtlich der Güter in der Zeit vor ihrer Einladung und nach ihrer Ausladung obliegen, gerade nicht (mehr) Anwendung, verwirklicht sich doch in diesen Bereichen keine Seegefahr mehr, sondern es liegt noch oder bereits wieder ein Landschaden vor (Schaps/Abraham, Das Seerecht I4 § 663 HGB Rz 7). Es darf daher die Haftung des Verfrachters hinsichtlich der Güter für die Zeit vor ihrer Einladung und nach ihrer Ausladung von § 662 UGB abweichend vertraglich verkürzt werden, weshalb der Vereinbarung der kürzeren Verjährungsfrist des § 64 AÖSp für diese Zeiträume kein Hindernis entgegensteht.“ […]

Bei der Seefracht ist die Ausladung nach deren Beförderung aus dem Frachtraum über die Reling mit dem Absetzen am Kai oder in einen Leichter abgeschlossen (vgl Schaps/Abraham, Das Seerecht I4 § 663 HGB Rz 11; Enge, Transportversicherung [1983] 321). Es steht fest, dass die Beschädigung des Containers und der Ware nicht während des eigentlichen Seetransports am Schiff, sondern erst nach der „Ausladung“ (Löschung) durch den Zusammenstoß zweier Portalhubstapelwagen im Zuge der Manipulation zur Umladung im Hafenterminal erfolgte. Für diesen Zeitraum gilt daher § 663 Abs 2 Z 2 UGB, der die wirksame Vereinbarung der kürzeren Verjährungsfrist des § 64 AÖSp ermöglicht.“

3. Anmerkungen

Vom OGH nicht eindeutig klargestellt wird in der vorliegenden Entscheidung, ab wann die kurze 6-monatige Verjährungsfrist gemäß § 64 AÖSp im Multimodaltransportfall zu laufen beginnt („Selbst wenn man dann erst vom Zeitpunkt der Ladungszustellung bei der GmbH am 14. 7. 2015 ausgeht, erfolgte die Klageerhebung am 8. 7. 2016 erst nach Ablauf von sechs Monaten. Ein gegebenenfalls auf die Klägerin übergegangener Anspruch ist daher jedenfalls verjährt.).

Für den Beginn der Verjährungsfrist kann meines Erachtens nicht auf die Ausladung der Transportgüter aus dem Frachtraum über die Reling mit dem Absetzen am Kai oder in einen Leichter abgestellt werden. Der Endempfänger weiß in der Regel weder wann, noch wie entladen wird und wäre eine Fristanknüpfung an die Ausladung der Ware während einer Transportzwischenetappe jedenfalls unbillig. Für den Beginn der Verjährungsfrist des § 64 AÖSp muss daher entweder auf die Kenntnis des Empfängers, oder spätestens auf den Zeitpunkt der Ablieferung am Endbestimmungsort beim Empfänger abzustellen sein.

Wolfgang Motter