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Gefahrenguttransporte: Angabe der Kennung der Abfallverzeichnis-Verordnung nicht ausreichend für Art 22 CMR

 | Strassenfrachtrecht

1. Gegenständlich war ein Transport von losem Elektroschrott von Deutschland nach Österreich, bei dem der Elektroschrott aufgrund darin befindlicher Batterien in Brand geriet und dadurch den Transport-LKW des ausführenden Subfrächters beschädigte. Dessen Versicherer klagten den Auftraggeber des geschädigten Subfrachtführers, bei dem es sich um einen weiteren Subfrachtführer handelte, der den Transportauftrag seinerseits wiederum von einem anderen Frachtführer übernommen hatte. Ur-Absender des Elektroschrotts war ein Müllabfuhr-Unternehmen aus Deutschland. Dem Transportauftrag beigefügt war ein Abholhinweis des deutschen Müllabfuhr-Unternehmens u.a. mit dem Hinweis: „AVV 20 01 35* gebrauchte elektrische und elektronische Geräte, die gefährliche Bauteile 66) enthalten, mit Ausnahme derjenigen, die unter 20 01 21 und 20 01 23 fallen“.

2. Der OGH gab der Klage gemäß Art 22 CMR statt und führte u.a. aus wie folgt:

„Dass der (Sub-)Frachtführer, der seinerseits einen (weiteren) Subfrachtführer beauftragt, diesem gegenüber als Absender gilt, entspricht herrschender Ansicht (7 Ob 135/18f; jüngst 7 Ob 109/20k; vgl RS0116125; RS0106763).[…] Nach Art 22 Abs 1 CMR hat der Absender den Frachtführer, wenn er ihm gefährliche Güter übergibt, auf die genaue Art der Gefahr aufmerksam zu machen und ihm gegebenenfalls die zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen anzugeben. Ist diese Mitteilung im Frachtbrief nicht eingetragen worden, so obliegt es dem Absender oder dem Empfänger, mit anderen Mitteln zu beweisen, dass der Frachtführer die genaue Art der mit der Beförderung der Güter verbundenen Gefahren gekannt hat. Gemäß Art 22 Abs 2 CMR haftet der Absender für alle durch die Übergabe dieser Güter zur Beförderung oder durch ihre Beförderung entstehenden Kosten und Schäden. Die Beklagte als Absenderin war somit nach Art 22 Abs 1 CMR verpflichtet, den Unterfrachtführer über die betreffende Art des Guts zu informieren sowie diesen „auf die genaue Art der Gefahr aufmerksam zu machen und ihm gegebenenfalls die zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen anzugeben. In der Lehre wird dazu allerdings auch vertreten, dass unter Hinweis auf die im Transportrecht geltenden und jeweils einschlägigen Gefahrengutvorschriften die Bekanntgabe von Gefahrenklassen ausreichen kann, weil diese der (Unter-)Frachtführer kennen muss (Csoklich in Jabornegg/Artmann, UGB² Art 22 CMR Rz 4; de la Motte/Temme in Thume, CMR-Kommentar³ Art 22 CMR Rn 31; vgl auch Jesser-Huß in MüKoHGB, 4. Aufl 2020, CMR Art 22 Rn 8). […]Die Unterfrachtführerin hat mit dem von der Beklagten erteilten Transportauftrag allerdings auch den zuvor an ein deutsches Müllabfuhrunternehmen gerichteten Abholauftrag erhalten, der den Hinweis enthielt: „E-Schrott SG3 + SG5, ca. 22 to“ und kleingedruckt „AVV 20 01 35* gebrauchte elektrische und elektronische Geräte, die gefährliche Bauteile 66) enthalten, mit Ausnahme derjenigen, die unter 20 01 21 und 20 01 23 fallen“. Die Kennung „AVV 20 01 35*“ bezieht sich offensichtlich auf eine Klassifizierung nach der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung; AVV; BGBl II 2003/570 idgF BGBl II 2008/498, Anlage 2). Die Klassifizierung „20 01 35*“ bezeichnet „gebrauchte elektrische und elektronische Geräte, die gefährliche Bauteile enthalten, mit Ausnahme derjenigen, die unter 20 01 21 und 20 01 23 fallen“. Nach der AVV umfassen „gefährliche Bauteile elektrischer und elektronischer Geräte (…) zB Akkumulatoren und unter 16 06 aufgeführte und als gefährlich eingestufte Batterien, Quecksilberschalter, Glas aus Kathodenstrahlröhren und sonstiges beschichtetes Glas“. Daraus wird zwar deutlich, dass es sich bei besagten gefährlichen Bestandteilen – beispielsweise – um „als gefährlich eingestufte Batterien“ handeln kann, eine konkrete Information welche bestimmten gefährlichen Stoffe im betreffenden Ladegut tatsächlich enthalten sind und welche genaue Art von Gefahr damit verbunden ist, ergibt sich daraus aber nicht. Im Ergebnis folgt daher, dass der auf der AVV beruhende Hinweis „gefährliche Bauteile“ wegen der damit verbundenen bloß beispielhaften und sehr unterschiedliche Problemstoffe umfassenden Aufzählung keine dem Art 22 CMR entsprechende konkrete Gefahreninformation darstellt. Da die Beklagten somit ihrer Informationspflicht nach Art 22 CMR nicht entsprochen hat, muss sie für alle durch die Beförderung dieser Güter entstandenen Schäden einstehen. Es handelt sich dabei um eine verschuldensunabhängige Haftung (Koller, Transportrecht10 Art 22 CMR Rn 5; Csoklich in Jabornegg/Artmann, UGB² Art 22 CMR Rz 8), die insbesondere auch den hier vorgelegenen Sachschaden am Fahrzeug umfasst (de la Motte/Temme in Thume, CMR-Kommentar³ Art 22 CMR Rn 31).“

3. Anmerkungen: Schwerpunkt der vorangehenden Verfahren vor dem LG Salzburg und dem OLG Linz war nicht die Haftung des beklagten Subfrächters nach Art 22 CMR, sondern die Frage der Haftung nach Art 10 CMR (Haftung des Absenders für mangelhafte Verpackung). Seitens der Kläger wurde insbesondere vorgebracht, dass Batterien in Elektroschrott gesondert zu verpacken seien.

Seitens der Beklagten wurde wiederum argumentiert, dass die gehörige Verpackung nicht Sache des beklagten (Sub)Frachtführers sein kann, sondern die diesbezügliche Verpflichtung nur den Ur-Absender der Waren treffen könne und die Klage daher direkt an diesen zu richten sei. Nur der ursprüngliche Warenabsender selbst kennt die Eigenheiten seines Gutes (wie beispielsweise generell das Vorliegen eines besonderen Schwerpunktes, einer besonderen Sensibilität des Gutes oder wie im gegenständlichen Fall die Zusammensetzung des Elektroschrotts) und damit auch die Verpackungsbedürftigkeit des von ihm zum Transport übergebenen Gutes. Der Frachtführer hat hierauf keinen Einfluss. Die von der Rechtsprechung entwickelte „Zweifelsregel“, wonach im Zweifel der Absender zur Verpackung der Ware verpflichtet ist (vgl zB OGH 7 Ob 159/16g), könne sich daher nur auf den Ur-Absender gegenüber dem Frachtführer beziehen, nicht aber auch auf den Frachtführer gegenüber dem Subfrachtführer im Rahmen des Art 10 CMR. Zur Untermauerung wurde „analog“ auf die Entscheidung des OGH 7 Ob 135/18f verwiesen, wonach bei Fahrzeugschäden aus Verladefehlern nur der Ur-Absender zum Schadenersatz verpflichtet ist, nicht aber der Frachtführer gegenüber dem Subfrachtführer: „Dass der Subfrachtführer, der seinerseits einen weiteren Subfrachtführer beauftragt, diesem gegenüber als Absender gilt, entspricht herrschender Ansicht. Aus dieser (rechtlichen) Absendereigenschaft allein folgt aber – entgegen der rein begrifflichen Argumentation der Klägerin – nicht zwingend auch in jedem Fall die Beladepflicht. Ob dies zutrifft, ist vielmehr nach Inhalt und Umfang der im Einzelfall übernommenen Vertragspflichten zu prüfen (vgl auch die Fallkonstellationen zu 7 Ob 222/13t; 7 Ob 165/08b; 3 Ob 265/02w).[…] War die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht zur Verladung verpflichtet, dann können auch die die Verladung ausführenden Mitarbeiter der Urabsenderin (Verkäuferin) nicht nach § 1313a ABGB Erfüllungsgehilfen der Beklagten sein. Der Klägerin stehen folglich Ersatzansprüche nur gegen die Urabsenderin (Verkäuferin) aufgrund der Schutzwirkung des von dieser mit dem Hauptfrachtführer abgeschlossenen Vertrags zu“.

Der OGH wiederum verneinte vorliegend die Anwendbarkeit von Art 10 CMR, da Elektroschrott in loser Schüttung als unverpacktes Transportgut gilt und löste den Fall über Art 22 CMR.

Die diesbezügliche Entscheidung des OGH aber, wonach die Abfallkennung „AVV 20 01 35*“ der Entscheidung der Kommission 2000/532/EG bzw der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) keine ausreichende Information an den (Sub)Frachtführer gemäß Art 22 CMR darstellt, erscheint  streng, insbesondere da unter diese Kennung ausdrücklich auch Batterien und Akkumulatoren fallen und dies einem auf Abfalltransporte spezialisierten Transportunternehmen (§ 1299 ABGB) bekannt sein müsste.

Offen bleibt nunmehr, welche Informationen und Warnhinweise neben der Abfallkennung konkret erforderlich sind, um den Anforderungen nach Art 22 CMR zu genügen.

Wolfgang Motter